Kunst und Geld: Provinzposse um eine Pferdeskulptur
FREIBURG. – Der Hauptdarsteller trägt Gefängniskluft, obwohl Freiburgs berühmtestes Fohlen seit rund fünfzehn Jahren eher stilles Medium für Zeitgeistbeflissene denn eigenverantwortlicher Protagonist ist. „Angeklagt!“ verkünden seit kurzem fast marktschreierisch große Lettern auf dem Rücken des Rößleins. Eine Pferdchenskulptur, geschaffen in der Mitte der dreißiger Jahre, muß demnächst vor den Kadi – und droht, dank angelegter Scheuklappen aller Beteiligten, in eine Gerichtsposse zu traben.
Verhandelt wird vor einem Amtsrichter. Es geht um das Urheberrecht – und natürlich um Geld. Wie gesagt, das 1,90 Meter hohe und ebenso breite Betonfüllen in Freiburgs vorzüglicher Wohnrandlage ist dabei nur unschuldiges Objekt der Begierde. Argwöhnisch gegenüber stehen sich andere: die Erbengemeinschaft des 1991 verstorbenen Fohlen-Schöpfers Werner Gürtner und der Freiburger Hobbyphotograph Matthias Wolpert. Seit vergangenem Jahr ist es Wolperts Anliegen, die durch nächtliche Sprüh- und Pinselaktionen Unbekannter sich chamäleonhaft verändernde Plastik zu fotografieren. Aus des Fohlens wundersamem Kleiderwechsel fertigte er siebzehn Postkartenmotive und bis dato einen Kalender. Sein Ziel: Der unaufhaltsame Popularitätsgalopp des verwandlungsfähigen Vierbeiners (mal ist er Zebra, dann Milka-Reklame, einmal Sportclub-Freiburg-Sympathieträger, daraufhin Christo-like verpackt) sollte enge Stadt- und Landesgrenzen sprengen.
Doch bevor die künstlerische Vermarktung des Pferdchens die hohen wirtschaftlichen Hindernisse richtig überwinden konnte, griff die Erbengemeinschaft vom Bodensee in die Zügel. Fotograf Wolpert verletze aufgrund fehlender Zustimmung durch die Nachkommen das Urheberrecht, beklagen die Bildhauerwitwe Elsa Gürtner, deren Tochter und Sohn, sowie die von der Überlinger Familie eingeschaltete Verwertungsgesellschaft Bild und Kunst. Das zu begründen ist freilich alles andere als einfach. Steht die Gürtner-Kreation nicht auf einer öffentlichen Wiese, der Allgemeinheit wie auf dem Präsentierteller zugänglich? Schon, kontern die Kläger. Aber nicht das nacktweiße Original habe Wolpert zu Postkarten und Kalender und damit zu Geld gemacht, sondern unerlaubtermaßen dessen Verfremdung, also die Resultate nächtlicher Bemalung. Bleibt die Frage nach den Rechten jener lichtscheuen Pinselakteure, deren nächtliche Streiche erst für den entsprechenden Bekanntheitsgrad des vordem unauffälligen Betongeschöpfes sorgten. Vielleicht werden die Scherzbolde ja nun ihr Versteck verlassen und ebenfalls Urheberrechte anmelden. Geld, sagt der fotografierende Matthias Wolpert vor allem in Richtung Erbengemeinschaft, sei bei ihm nicht zu holen. Von seinen 3000 Kalendern mit dem Fohlen habe er gerade mal die Hälfte verkauft, an den aufwendig hergestellten Postkarten gleichsam nichts verdient. „Ich bin Null auf Null“, umschreibt er die finanzielle Situation, seinen Idealismus für die kreative Sache beteuernd. Dieser würde allerdings in dem Moment dahinscheiden, wenn es der Erbengemeinschaft gelänge, eine Umsatz-Teilhabe einzuklagen. Ein für Wolpert ganz und gar unverständliches Bestreben, denn gar nicht allzu lange sei es her, daß Elsa Gürtner ihm in ihrem Überlinger Atelier ein begeistertes Okay für seine Photoprojekte gegeben habe – dummerweise per Handschlag, aber vor Zeugen.
Der possenhaft anmutende Streit dürfte zumindest dem Bekanntheitsgrad des Freiburger Pferdchens kaum abträglich sein – im Gegenteil. Über den aktuellen Stand der gerichtlichen Auseinandersetzung wird das jeweils neue Gewand des Fohlens Auskunft geben.
Harald Merz